CDs
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
€?
Gallon Drunk
THE SOUL OF THE HOUR
Clouds-H ill/Rough Trade CD (auch als LP)
Die Renaissance des extremen Me-
tal-Subgenres „Drone Rock“ hat
Bands wie Hookworm zu Lieblingen
einschlägiger Fans gemacht. Deren
Debüt „Pearl Mystic“ lieh Ideen
unter anderen bei Spacemen 3
und Loop. Auf Letztere, aber auch
Krautrock- und Psychedelik-Klassik
kommen Gallon Drunk bei ihrem
jüngsten Album zurück, gelegent-
lich aber schweift die Band auch
in ganz gewöhnlichen, dann sehr
lärmenden (und droning!) Hard-
rock ab. Das Gitarrenriff zu „The
Dumb Room“ könnte glatt von Led
Zeppelin „inspiriert“ sein. Nur ist
der Sänger kein Robert Plant und
das kurze Solo von ausgesprochen
schlichter Denkungsart.
F. Sch.
POP
Ein so vielseitiges wie umwerfend
gelungenes
„Solo“-op.
10
der
Sängerin mit der leicht rauchig
betörenden Stimme: vom jazzigen
Nachtclub-Hit des Jahres 1932 über
nur manchmal richtig wehmütig
klingende vertonte Erinnerungen
bis zu phänomenal und auch mal
definitiv („In Ma Ain Country“)
interpretierten Traditionals. Ins-
trumental
brillant
arrangiert,
klingt „Married To The Sea“ um
einiges wunderbarer als von Dec-
lean O’Rourke im Original a capella
gesungen. Bei „Buain Na Rainich“
harmoniert Eddie Reader im Duett
mit Karen Matheson so hinreißend
wie die McGarrigle-Schwestern.
F. Sch.
MUSIK
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KLANG
KLANG
Beckmann & Band
BEI ALLEM SOWIESO VIELLEICHT
Electrola/Universal CD
(46’)
Oh je, noch ein Fernsehgesicht,
das sich nebenher in der Rolle
des Musikers versucht. Aber halt,
nicht so m isstrauisch, Sportre-
porter und Talkmaster Reinhold
Beckmann macht seine Sache
nämlich gar nicht mal so schlecht.
Etwas zu artig vielleicht, aber
nicht ohne Charme besingt er in
nett gereimten Schmunzelliedern
den Klatsch und Tratsch unserer
Zeit („Plauderton“), das Dekollete
seiner Metzgerin („Charlotte“) und
den Liebesschwur eines frisch Ent-
flammten („Dosenbier“). Keine gro-
ße Kunst, peinlich sein muss dem
Hamburger sein Flirt mit Swing,
Latin, Folk und Country jedoch
auch nicht.
hake
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Ami
PART OF ME
Capriola/Sony CD
In der äußeren Erscheinung wie in
ihren spritzigen Liedern verkörpert
Amira „Ami“ Warning jugendliche
Frische und eine unbekümmerte
Neugier auf die Welt. Mit einem ent-
zückenden mädchenhaften Charme
erzählt die 18-jährige Debütantin
von der Gefühlswelt einer Heran-
wachsenden
(„One
Moment“),
von noch unsicheren ersten Lie-
beserfahrungen („Freedom“) und
Erwartungen ans Leben als Voll-
jährige („Waiting“). Als Musikerin
wurde Ami stark von ihrem Vater
Wally Warning beeinflusst, einer
Lokalgröße in München. Von ihm
hat sie sich abgeguckt, wie man
Reggae, Soul, Songwriterfolk und
Latin organisch verbindet.
hake
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Boy George
THIS IS WHAT I DO
Very Me/Rough Trade CD (auch als LP)
(55’)
Was wurde in den letzten 30 Jahren
nicht alles geschrieben über Boy
George, die Negativschlagzeilen
wollten gar kein Ende nehmen.
Heroinabhängigkeit und Alkohol-
abstürze,
Medikamentensucht
und Kokainfund in seiner Woh-
nung, vom Gericht verordneter
Sozialdienst bei New Yorks Stra-
ßenreinigung und Haftstrafe wegen
Freiheitsberaubung: Die Liste der
Verfehlungen, in zwei Autobiogra-
fien freimütig eingeräumt („Take
It Like A Man“, „Straight“), wurde
lang und länger.
18 Jahre nach dem misslungenen
„Cheapness And Beauty“ schreibt
der trockene Alkoholiker nun wie-
der als Sänger und Songschreiber
verschüttete Talent legt George
O’Dowd mithilfe von Koautor Youth,
DJ Yoda, Kitty Durham (Kitty, Daisy
& Lewis), Oud-Spieler Nizar Al Issa
und Ally McErlaine (Texas) endlich
frei. Stück für Stück gewinnt er alte
Stärken zurück und punktet
mit
eingängigen Songbekenntnissen
zwischen Pop, R&B, Country und
viel, viel Reggae. Der 52-jährige
Brite singt zum hüftschwingenden
Karibiksound von all den vergeu-
deten Jahren und seiner zweiten
Chance, die er auf keinen Fall
verbocken will („Live Your Life“),
er nimmt in der Ohrwurmballade
„King Of Everything“ eine unge-
schönte Standortbestimmung vor
und erzählt im Reggaerhythmus
vom wieder gefundenen Spaß an
den einfachen Dingen des Lebens
(„Nice And Slow“).
Die helle Strahlkraft der frühen
Karrierejahre hat Boy Georges
Stimme eingebüßt, heute klingt sie
viel tiefer, rauer, ja, gebrochen. Das
mag man bedauern, man kann es
jedoch auch als Ausdruck von Reife
und Lebenserfahrung akzeptieren.
Harald Kepler
Gabriella Cilmi
THE STING
Ferryhouse/Warner CD
Die übersexualisierte Dance Music
auf „Ten“ (2010) passte einfach
nicht zu Gabriella Cilmi, inzwischen
hat sie selbst erkannt, dass sie sich
damit auf dem Holzweg befand. Mit
dem tiefgründigeren „The Sting“
hakt die Australierin die Fehler
der Vergangenheit ab (etwa in
„Don’t Look Back“), sie findet in
einer Mixtur aus klassischem Soul
und Trip-Hop a la Tricky zu einem
Sound, der ihre Persönlichkeit viel
besser widerspiegelt. Wie befreit
singt die 22-Jährige mit rauchiger
Soulstimme vom eigenen Reife-
prozess nach Enttäuschungen im
Privatleben und der Erfahrung mit
dem Albumflop „Ten“. Lektion ge-
lernt.
hake
erfreulich positiv aus. Das lange
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Jahre unter seinen Ausrutschern
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Sons Of The Sea
SONS OF THE SEA
Avow!/Membran CD (auch als LP erhältlich)
(50')
Das Solowerk von Incubus-Front-
mann Brandon Boyd, produziert
von und gemeinsam umgesetzt mit
Brenden O’Brien, bezeichnet der
Sänger selbst als „Oddball Pop“.
In der Tat: Während man Inkubus
in die Alternative Rock-Ecke ein-
sortieren würde, überrascht dieses
Album mit opulent arrangiertem,
überbordendem Prog-Pop. Es ge-
lingt den beiden Vollblutmusikern
jedoch gut, die von Rock-Dinosau-
riern wie Rush und Yes bekannten
Klischees mehr oder weniger zu
umschiffen und ihren Pomp mit
9oer-Jahre-Elementen
aufzufri-
schen. Das Ergebnis klingt, als ob
sich die Beach Boys, Meat Loaf und
David Bowie im Studio treffen.
pb
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
STEREO 4/2014 125